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10. März 2021
Seelsorge in Coronazeiten: am Friedhof plaudern über Gott und die Welt

Barbing/Sarching/Illkofen. Schon kurz vor elf Uhr ist Pfarrer Stefan Wissel am Mittwochvormittag am Barbinger Friedhof. Es steht keine Beerdigung an, sondern er steht als Gesprächspartner zur Verfügung. Ungezwungene Begegnungen und vielleicht auch mal nur ein kurzer Ratsch am Friedhof. Wie sich die Gespräche entwickeln, weiß man nie so genau. Dienstag und Donnerstag freuen sich Pastoralassistent Tobias Henrich in Illkofen und Gemeindereferentin Susanne Hermann auf Gespräche mit Menschen der Pfarreiengemeinschaft.

Für viele waren sie ein fester Termin im Kalender, meistens einmal im Monat: die Seniorennachmittage, die eine willkommene Abwechslung in den Alltag der Ü65er der Großgemeinde gebracht haben. Man kam unter Menschen, plauderte bei Kaffee und Kuchen oder tauschte sich auch tiefergehend aus. Pandemiebedingt entfallen die Nachmittage schon seit einiger Zeit. Aus Angst vor Ansteckung blieben auch viele Senioren lieber zuhause. Auch von Seiten der Seelsorge merkte man, dass man immer weniger mit den Gläubigen zu Gesprächen zusammenkomme. „Vieles ist anders und schwieriger als gewohnt, das betrifft die Gottesdienste, die organisatorische Ebene und das  Zwischenmenschliche“, so der Geistliche und ergänzt: „Wir müssen was machen.“

Dies sei die erste Intention gewesen, denn zu den Leuten hingehen und zusammenbringen ging nicht, also habe man überlegt, dass man die Senioren da treffen müsse, wo diese hingehen. Meist seien deren Tage durch zwei Aktivitäten strukturiert: Einkaufen und der Gang zum Friedhof. So sei die Idee letztlich entstanden, mit einem offenen Ohr am Friedhof bereit zu stehen, so Pfarrer Stefan Wissel, zumal im Freien die Ansteckungsgefahr unter Einhaltung der Abstandsregeln auch eher gering sei. Im Dezember habe man angefangen und seit dem 7. Januar stehen feste Termine.

Dienstag, ab 10 Uhr bis 10.30 Uhr in Illkofen, Mittwoch ab 11 bis 11.30 Uhr Uhr in Barbing und Donnerstag ab 14 Uhr bis 14.30 in Sarching.

In Barbing stehe er selbst für Gespräche bereit, in Illkofen Pastoralassistent Tobias Henrich und in Sarching Gemeindereferentin Susanne Hermann. Der Geistliche erzählt, dass man für die Menschen da sein möchte und die sie wissen sollen wo sie hinkönnen für ein Gespräch. Bis zu den Ferien will man diese Termine beibehalten, so bestehe weiterhin die Chance mit den Senioren im Gespräch zu bleiben. Meist reiche die veranschlagte halbe Stunde aus. Die seelsorgerliche Arbeit werde von außen nicht auf Anhieb wahrgenommen, weil sie nicht so greifbar sei wie ein Gottesdienst, aber das Bedürfnis sei bei vielen zur Zeit aber groß, ihren Kummer und ihre Sorgen zu teilen. Manchen sei aber auch mehr nach Plaudern, als nach einem ernsten Seelsorgegespräch sagt Pfarrer Stefan Wissel und finde das auch völlig in Ordnung. Die Leute sollen wissen, wir sind da für sie.

Ähnliches erzählt auch Pastoralassistent Tobias Henrich. „Wir sind einfach da, ohne uns aufzudrängen. Zwischen einem kurzen Smalltalk und einem Gespräch mit Tiefgang ist alles drin“, so Henrich, der hinzufügt, dass der Friedhof ein besonderer Ort der Erinnerung und Trauer, aber auch der Trauerverarbeitung, Dankbarkeit und Routine sei. Einige besuchen die Gräber immer zu bestimmten Zeiten, andere wiederum wie ihnen danach sei. Weil einige Friedhofsbesucher die Gesprächspartner aus der Pfarreiengemeinschaft gar nicht erwarten, werde oftmals eine Routine unterbrochen, die die Menschen aber eher als angenehm spüren.

Der junge Pastoralassistent und Familienvater habe das Gefühl, dass die Gesprächsmöglichkeit als sehr positiv empfunden werde. „So manchen Donnerstag bin ich auch schon erst nach 15 Uhr aus dem Friedhof gegangen“, resümiert Gemeindereferentin Susanne Hermann. „Es sind immer Leute am Friedhof und ein Gespräch ist möglich, aber nicht zwingend erforderlich. Ich bin einfach offen und habe wenn es gewünscht wird auch ein offenes Ohr“, betont Hermann und erzählt, dass die Bandbreite von Gesprächen über Gott, Trauer, Corona und auch aktuelles aus dem Dorf breit gefächert sei. „Ich habe den Eindruck, dass die Friedhofsbesucher sich freuen, wenn sie mich oder sich auch mal gegenseitig auf dem Friedhof treffen, selbst unter Einhaltung der notwendigen Abstandsregeln“. ©Christine Kroschinski

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